„Mussten keine Mauern einreißen“
Von LARS NIENABER
Langenberg (gl). Den Höhenausläufern der Stromberger Berge hat Langenberg seinen Namen zu verdanken. Vor mehr als 1000 Jahren machten sich Bürger im damals südlichsten Zipfel des Bistums Osnabrück sesshaft. Das Langenberg, wie man es heute kennt, ist sehr viel jüngerer Natur. Die Gebietsreform 1970 gilt als Geburtsstunde der kleinsten Gemeinde im Kreis Gütersloh. Auf den Tag genau vor 50 Jahren wurde das Kommunalparlament aufgestellt.
Über ein eigenes Rathaus verfügte die neugebildete Gemeinde seinerzeit noch nicht. Als Kulisse für die konstituierende Sitzung diente somit die Gaststätte Brill an der Hauptstraße. Deren Saal wurde für die bedeutungsvolle Zusammenkunft der 19 gewählten Bürgervertreter hergerichtet.
Einer, dem das Geschehen vor einem halben Jahrhundert noch gut in Erinnerung ist, ist Hans-Rudolf Benteler. Aus gutem Grund: Nicht nur gehörte er dem Gremium von dessen Geburtsstunde an aus mit Leidenschaft und Herzblut an. Er ging auch aus den Wahlen zum ersten gesamtgemeindlichen Bürgermeister als Sieger hervor. Trotz seiner 34 Jahre konnte Benteler schon reichlich Erfahrung im kommunalpolitischen Geschehen vorweisen. Er gehörte zu diesem Zeitpunkt bereits seit vier Jahren dem Benteleraner Rat an und galt als Verfechter eines Anschlusses seines Dorfs an Langenberg.
Sieben Punkte umfasste die Tagesordnung der Premierensitzung. Harmonisch sei die Zusammenkunft verlaufen, erinnert sich der heute 84-Jährige. „Natürlich haben wir hüben wie drüben immer mal wieder über die Nachbarn gefrotzelt. Im Großen und Ganzen gab es aber keine Mauern einzureißen. Das war aus meiner Sicht in Rheda-Wiedenbrück und Herzebrock-Clarholz ganz anders“, meint Benteler, der das Amt des ersten Bürgers als vielbeschäftigter Landwirt ehrenamtlich bekleidete.
Als Ratsältester lag es in den Händen von Dr. Hans-Georg Dittmann, die Sitzung zu eröffnen und zu führen. In den folgenden Stunden sei spürbar gewesen, dass die gewählten Lokalpolitiker an einem Strang ziehen wollten – egal, ob sie aus Langenberg oder Benteler stammten. „Wir waren alle darum bemüht, eine Erfolgsgeschichte für unsere neue Gemeinde zu schreiben“, sagt Hans-Rudolf Benteler. Dementsprechend sei die Atmosphäre im Brill’schen Drei-Kaiser-Saal an der Hauptstraße weniger förmlich als vielmehr feierlich gewesen, sagt Benteler.
Erste Ratssitzung von Harmonie geprägt
Langenberg (lani). Am 3. April 1970 beginnt das politische Herz der Kommune zu schlagen. Wichtige Weichen galt es für die neu gegründete Gemeinde Langenberg im Rahmen der ersten Ratssitzung zu stellen. Unter anderem wurden die Fachausschüsse des Gremiums gebildet und besetzt. „Weil die neue wie schon ihre Vorgängerin kreisweit die einzige Gemeinde war, die in ihren Mauern über kein eigenes Rathaus verfügte, tagten auch die Ausschüsse in Gaststätten“, erinnert sich Hans-Rudolf Benteler. Das löste nicht nur das Raumproblem, sondern hatte auch einen angenehmen und vor allem geselligen Nebeneffekt für die Bürgervertreter. „Manch hitzige Diskussion ist seinerzeit am Tresen fortgeführt und mancher Streit beigelegt worden“, blickt der 84-Jährige zurück.
Seine Person selbst ist es, die im Mittelpunkt des Tagesordnungspunkts zwei gestanden hat: die Wahl des Bürgermeisters. Diese gestaltete sich aufgrund der Mehrheitsverhältnisse als nicht ganz einfach. Bei den vorangegangenen Wahlen hatte die CDU neun Sitze geholt, die Freien Wähler sechs, die SPD vier. „Natürlich wollten wir Christdemokraten den Bürgermeister stellen, dafür waren wir aber auf die übrigen Parteien angewiesen“, erläutert das Langenberger Polit-Urgestein. Im Vorfeld der Sitzung habe es daher Absprachen unter den Lagern gegeben, mit dem Ergebnis, dass Hans-Rudolf Benteler, der die Unterstützung aller Parteien genoss, für das höchste Amt der damals 6200-Seelen-Gemeinde nominiert wurde. Seine Wahl war daher nur noch Formsache. Zu seinen Stellvertretern wurden Anton Rosenthal und Josef Brockschnieder gewählt.
„Eigentlich wollte ich den Job nur vier Jahre lang machen. Am Ende sind daraus bekanntlich ein paar mehr geworden“, sagt Benteler mit einem Schmunzeln. Sein Wirken an höchster Stelle vergleicht er selbst scherzhaft mit dem Dreißigjährigen Krieg – „mit dem Unterschied, dass ich nur 29 Jahre lang in Langenberg aktiv war“.
Die Geburtsstunde des Kommunalparlaments und seine Wahl als dessen Vorsitzender zu feiern, blieb Hans-Rudolf Benteler am besagten Tag im April 1970 vergönnt. Bereits kurz nach dem Abarbeiten der Tagesordnung musste sich der frischgebackene Bürgermeister aus der Runde der Ratsherren verabschieden. Sein Bruder hatte am selben Tag geheiratet.
Hintergrund
Das Jahr 1970 ist für die Geschichte des heutigen Langenbergs gleich aus mehrfacher Sicht von großer Bedeutung. Im Rahmen der Gebietsreform wurden die bis dahin selbstständigen Gemeinden Benteler (damals Amt Liesborn-Wadersloh) und Langenberg (Amt Reckenberg) am 1. Januar zur neuen Gesamtgemeinde zusammengeschlossen. Auch Teile von Batenhorst, Bokel und Mastholte wurden in diesem Zuge eingegliedert. Am 15. März fand die Wahl zum ersten gemeinsamen Rat statt. Folgende Bürgervertreter wurden darauf in das höchste Gremium der Gemeinde entsendet:
- CDU: Hans-Rudolf Benteler (ehrenamtlicher Bürgermeister), Dr. Hans-Georg Dittmann, Willi Kampmeier, Heinrich Leweling, Johannes Löppenberg, Edgar Müller, Kaspar Pagenkemper, Rudolf Schürmann und Alois Schwach.
- Freie Wählergemeinschaft: Karl-Heinz Ertel, Josef Holtkötter, Godehard Honold, Anton Menze, Anton Rosenthal und Josef Vering.
- SPD: Willi Bierstedt, Josef Brockschnieder, Hans Michaelis und Peter Steghaus.
Viele der damals vom Volk Gewählten sind mittlerweile gestorben. Auf das Goldene „Ihrer“ Gemeinde können außer Hans-Rudolf Benteler lediglich noch Rudolf Schürmann, Peter Steghaus und Edgar Müller anstoßen.